Der Zwang ins Büro verletzt grundlegende Bedürfnisse, die für gutes Arbeiten erfüllt werden müssen: das Bedürfnis nach Sinn, nach Autonomie und nach psychologischer Sicherheit.
Um das zu sehen, reicht es, sich folgende Frage zu beantworten:
Führt eine Präsenzpflicht dazu, dass Büroarbeitende mehr Sinn in ihrer Arbeit sehen, mehr psychologische Sicherheit empfinden, ihre Autonomie unterstützt wird?
Warum sollten Büroarbeitende mehr Sinn in ihrer Arbeit sehen, wenn ihnen vorgegeben wird, ins Büro zu kommen? Studien zeigen, dass im Büro oft auch nicht automatisch deutlich mehr Interaktion mit anderen stattfindet als im Home Office. Daher wird es vielen schwer fallen, in der Pflicht einen Sinn zu sehen. Wie kann sie dann das Sinnerleben von Arbeit stärken?
Inwiefern wird das Empfinden psychologischer Sicherheit durch eine Präsenzpflicht verstärkt? Eine Präsenzpflicht schließt einige Menschen aus oder erschwert ihnen die Arbeit: Eltern, hochsensiblen Menschen, Menschen mit einer temporären oder dauerhaften physischen oder psychischen Beeinträchtigung zum Beispiel. Sie wird also kaum die von ihnen empfundene psychologische Sicherheit erhöhen. Was ist mit Mitarbeitenden, die hin- und hergeschickt werden, sich in der Zwischenzeit gut ihr Home Office eingerichtet haben und nun auf einmal zurück sollen? Erhöht das ihr Sicherheitsempfinden und ihr Vertrauen in die Organisation?
Werden Mitarbeitende mit einer Präsenzpflicht wie autonome, mündige Erwachsene behandelt? Stärkt dies ihre Autonomie, wenn sie eigentlich selbst besser wissen, wo und wie sie gut arbeiten können? Diverse Mitarbeitende haben schließlich unterschiedlichste Bedürfnisse.
Was soll eine Präsenzpflicht überhaupt bringen?
Bevor aktionistisch eine Büropflicht eingeführt wird, gilt es, erst einmal einen Schritt zurückzutreten, gemeinsam herauszuarbeiten und zu analysieren, was überhaupt das eigentliche Problem ist. Worin bestehen die Ursachen? Welche (anderen) Lösungsmöglichkeiten gibt es?
Genannt werden beispielsweise oft die Hoffnung, durch eine Präsenzpflicht mehr Innovationen, eine höhere Produktivität oder mehr Teamgeist zu erreichen. Aber sind dies die wirklichen Gründe für den Ruf ins Büro? Hand aufs Herz! Oder stecken ganz andere Gründe dahinter?
Und hat eine Präsenzpflicht überhaupt das Zeug dazu, wie erhofft die Probleme zu lösen?
Stecken vielleicht Gründe wie die Angst der Führungskräfte vor Kontrollverlust beziehungsweise das Bedürfnis nach Mikromanagement dahinter? Eigene Einsamkeit? Probleme mit hybrider Führung? Oder allgemein Führungsprobleme, die erst jetzt richtig zu Tage treten. An dieser Stelle ehrlich mit sich selbst zu sein ist unerlässlich. Gute Führung beginnt schließlich mit guter Selbstführung. Könnten solche Bedürfnisse überhaupt durch eine Pflicht gelöst werden? Wäre es ein angemessener Umgang damit, sie anderen aufzudrücken?
Welche Alternativen es gibt
Wie kann stattdessen so mit dem Thema umgegangen werden, dass Probleme oder Bedürfnisse auf angemessene Art und Weise gedeckt werden, dass Sinn, psychologische Sicherheit und Autonomie gewahrt beziehungsweise gefördert werden? Geschieht dies, so kann möglichen Verlusten wie Demotivation und Kündigung vorgebeugt werden. Wenn Sinn, psychologische Sicherheit und Autonomie gefördert werden, kann dies einen Beitrag zur Lösung des Problems beziehungsweise Erfüllung des Bedürfnisses leisten, für gute Arbeit sorgen und uns mehr Erfolg bei der Arbeit haben lassen.
Warum ist es so schwierig, einen gemeinsamen Weg zu finden, der alle Interessen berücksichtigt? Nehmen wir uns im Arbeitsalltag genügend Zeit, miteinander zu sprechen, zu reflektieren, was es für gute Arbeit und Zusammenarbeit braucht?
Vielleicht sollten wir mehr miteinander reden und erarbeiten, gemeinsam Lösungen finden. Verständnis füreinander und Interesse aneinander haben. Beispielsweise in Einzelgesprächen, Meetings und Workshops reflektieren und herausarbeiten, was gebraucht wird, um gut zusammenzuarbeiten.